Umfrage-Ergebnisse
Neuroradiologie in der Praxis – ein Blick auf die Versorgungslandschaft der ambulanten Neuroradiologie in Deutschland
Wie steht es eigentlich um die ambulante Neuroradiologie in Deutschland? Wie viele Kolleg*innen mit dem Schwerpunkt Neuroradiologie arbeiten in der Niederlassung? Und wie viele von Ihnen praktizieren auch vorrangig im Schwerpunkt? Wo drückt der Schuh in der Niederlassung und was erwarten die Kolleg*innen von ihrem Berufsverband, dem BDNR (Berufsverband Deutscher Neuroradiologen e.V.)?
Gemeinsam mit dem Berufsverband Deutscher Radiologen (BDR) haben wir im Zeitraum Januar bis März 2022 eine nicht repräsentative Online-Umfrage unter den Mitgliedern beider Verbände zum Thema Versorgungslandschaft Neuroradiologie in der Niederlassung aufgesetzt. Diese Umfrage begreifen wir als Auftakt eines verstärkten Engagements und Sichtbarmachens der niedergelassenen Neuroradiologie – sowohl innerhalb unseres Berufsverbandes als auch im Zusammenspiel mit anderen radiologischen und nichtradiologischen Organisationen und Gremien der Gesundheits- und Berufspolitik.
Die vier Kernaussagen der Umfrage:
In kondensierter Form lassen sich die wichtigsten Ergebnisse aus der Umfrage wie folgt zusammenfassen.
- Erstens: Ambulant tätige Neuroradiolog*innen sind vor allem in großen Städten mit Einwohnerzahlen über 100.000 tätig. Sie arbeiten überwiegend in großen Praxen mit jeweils mehreren radiologischen und neuroradiologischen Kolleginnen und Kollegen.
- Zweitens: Nur eine kleine Gruppe (18%) ist ausschließlich neuroradiologisch tätig. Dagegen sind 55% der ambulant tätigen Kolleg*innen mit Schwerpunkt als Generalisten tätig. Ihr allgemein-radiologischer Befundanteil macht mehr als 50% ihres Alltags aus.
- Drittens: Die meisten ambulant tätigen Neuroradiologen halten in den Praxen neuroradiologische Expertise für unbedingt erforderlich.
- Viertens: Trotz einiger ernsthafter Sorgen und Unsicherheiten mit Blick in die Zukunft sind die meisten ambulant tätigen Neuroradiologen mit ihrer Arbeit hochzufrieden.
Weitere Fakten und Erkenntnisse
In Deutschland sind laut aktueller Ärztestatistik der Bundesärztekammer (Stand 31.12.2021) gerade einmal 189 Neuroradiologen in der ambulanten Versorgung tätig. Davon verfügt etwa die Hälfte über eine eigene Kassenzulassung.
Während das Verhältnis von stationär zu ambulant tätigen Radiolog*innen in etwa 1:1 beträgt, liegt der Schwerpunkt der neuroradiologischen Versorgung klar im stationären Sektor. Bei den Neuroradiolog*innen liegt das Verhältnis stationär zu ambulant bei
ca. 1:2,4 – in absoluten Zahlen: 189 zu 451.
Noch einseitiger ist die Relation von Neuroradiolog*innen zu Radiolog:innen in den Praxen. Dort beträgt das Verhältnis ca. 1 zu 22 – in absoluten Zahlen: 189 zu 4.144.
Damit besteht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der Zahl der Neuroradiolog*innen und der durchschnittlichen neuroradiologischen Befundlast in der ambulanten radiologischen Versorgung. Denn der Anteil neuroradiologischer Befunde mit Schädeluntersuchungen und neurologischen Wirbelsäulenfragestellungen lässt sich durchschnittlich mit über 33% veranschlagen, wie die Prüfgruppendaten bei den Quartalsstatistiken der Kassenärztlichen Vereinigungen belegen.
Fazit: Wir brauchen dringend neuroradiologischen Nachwuchs in den Praxen
Unsere Recherchen machen deutlich: Wir brauchen mehr Neuroradiologen in den Praxen, die sich zudem gleichmäßiger über das Bundesgebiet verteilen müssen.
Denn derzeit zählen wir nur knapp 200 niedergelassene Neuroradiolog*innen in ganz Deutschland. Sie bilden in Großpraxen und großen Städten Versorgungs-Cluster.
Dem gegenüber steht aber mit dem hohen neuroradiologischen Befundanteil ein großer Bedarf an neuroradiologischer Expertise – auch in kleineren Praxen.
Der Bedarf wird sich nur decken lassen, wenn wir mehr Neuroradiolog*innen ausbilden und für unser Fach werben. Die gute Nachricht: Es sollte uns nicht schwerfallen, junge Kolleg*innen zu begeistern.
Die Umfrage-Ergebnisse im Detail finden Sie hier: 20220601-umfrage-nrad-fesl
Prof. Dr. med. Gunther Fesl
Prof. Dr. med. Gunther Fesl, MHBA, Jahrgang 1970. Medizinstudium, Weiterbildung zum Facharzt für Diagnostische Radiologie und zum Schwerpunkt Neuroradiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Langjährige Beschäftigung in der Abteilung für Neuroradiologie der LMU München, zuletzt als Oberarzt und Leiter der Sektion interventionelle Neuroradiologie. Seit 2015 Niederlassung in der Praxis Radiologie Augsburg Friedberg mit nahezu ausschließlicher neuroradiologischer Tätigkeit. Seit 2020 im Vorstand des BDNR.